Die ewig fliegenden Linien des Luciano Berio-Konzertes "SOLO", das ich übermorgen in der Laeiszhalle mit den Hamburger Symphonikern spiele, klingen in mir nach dem ersten Probentag nach. Das Konzert ist ein Monument von langsam ausgemalter, kreativ gewordener Zeit. Ein Spiel mit der Wahrnehmung und eine Verspieltheit der Klänge, der alte Mann der mit dickem Pinsel Farbe aufträgt und, wie ich mir vorstelle, dabei leise schmunzelt, die Einflüsse seines Lebens alle auf den Punkt gebracht: den Jazz, das omnipräsent Vokale, ein verlorenes Recitativo aus einer Oper hier, eine oscillierende Alliatorik da, alles fliegt durch den Raum wie Bälle der Zeiten zugespielt in stillem Einverständnis.
Rosalyn Tureck bietet eine andere Welt. Wenn das Berio-Konzert den dicken Pinselzug zum Thema gemacht hat bespielt Frau Tureck auf ihrer goldenen Nähemaschine die Ewigkeit als Strickstück. Warm ist die Wolle, passend schmiegend um den Leib liegt sie. Welch eine Freude, umhüllt zu sein.
Und da gibt es noch Beethoven. Er schaut zu und fragt sich, was wir alle in Deutschland zu tun haben. Naja, immer noch versammeln sich die Interessierten ums Lagerfeuer, wie seit tausenden Jahren. Und das Lagerfeuer der Klassik - ob zeitgenössisch oder Jahrhunderte alt - brennt hier mitten in Europa, in dem kulturellen Transitland das immer noch vor begeisterter Kulturfreude glüht.