Die Buchhandlung am Bahnhof Landstraße an einem Sonntag. Gefällt mir besonders gut, weil an Feiertagen und Sonntagen sonst die gesamte Gesellschaft hier im katholischen Europa stillsteht. Es ist ein Lockdown im Kleinen, eine winzige, vom Neo-Liberalismus vergessene und von der Gottheit eingeführte Atempause, alles für die Bürger und für die Bürgerinnen. Die dann, wenn sie ausgeruht und wohlig sind, zu noch einer Woche Heldentaten bereit sind. Alles ist zu, sogar die Lebensmittelgeschäfte. Aber, wie gesagt, unsere nicht namentlich benannte Buchhandlung hat offen, weil besondere Bahnhofsregelung, weil Systemrelevant, weil sonst nicht Geschenke am Sonntag und food for thought eingekauft werden könnten. Und das würde sicher sogar der liebe Gott gutheißen.
Wache, hell denkende Zeitgenossen vermischen sich hinter den Regalen, versammeln sich ohne Verabredung, checken sich schüchtern über Bücherrücken und hinter Jahreskalendern aus. In die Zukunft schauend, rückwärts lesend, in der großen, dokumentierten Weltgeschichte nach Antworten fischend. Spiele spielend. Denkend. Fühlend. Zeit nehmend. Lange dicke Bücher als Gegenentwurf zu unserer Zeit, in der sich scheinbar alles beschleunigt. Wenn alles nur so einfach wäre wie in der vergessenen Buchhandlung an einem beliebigen Sonntag.